EM Nationalmannschaft
Nur die Nummer 2 – Ter Stegen lässt Unverständnis durchklingen
| Lesedauer: 4 Minuten
Bundestrainer Julian Nagelsmann hat jedem Spieler klargemacht, welche Rolle er bei der EM spielen wird. Torwart Marc-André ter Stegen musste sich als Nummer zwei hinter Manuel Neuer einreihen. Der 32-Jährige akzeptiert das, hat aber wenig Verständnis.
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Die Leichtsinnigkeit von Nationaltorwart Manuel Neuer kurz vor Schluss im EM-Test gegen die Ukraine hat nach Meinung von Kai Havertz keine Auswirkungen auf das Vertrauen der Mannschaft in den ehemaligen Kapitän. „Auf mich zumindest nicht und ich glaube, auch auf keinen anderen“, sagte Havertz dem „Kicker“.
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Beim 0:0 am Montag gegen die Ukraine war der 38 Jahre alte Torhüter des FC Bayern über weite Strecken Weltklasse. Kurz vor Spielende jedoch kam er in gewohnter Manier weit aus seinem Tor, um einen Angriff der Gäste zu unterbinden. Sein lässig gespielter Pass landete allerdings beim Gegenspieler, mutterseelenallein stürmte Artem Dovbyk auf das verwaiste deutsche Tor zu, wurde aber zum Glück für die deutsche Elf vom Abseitspfiff gestoppt.
„Von 500 Aktionen passiert einmal so etwas, aber in den anderen 499 Aktionen rettet er uns, hilft uns, Spiele zu gewinnen“, sagte Havertz. Der Stürmer des FC Arsenal pries Neuer „der beste Torwart, der jemals gespielt hat. Wenn du weißt, dass er im Tor steht, gibt dir das ein anderes Gefühl“.
Der Münchener Torwart hatte jedoch schon in den Wochen zuvor bei der Niederlage in Hoffenheim (2:4) ungewohnte Schwächen offenbart. Beim Halbfinal-Aus gegen Real Madrid zeigte Neuer zunächst Glanzparaden, leitete mit einem Fehler aber die 1:2-Niederlage ein.
Nagelsmanns Maßnahme für Harmonie und Hackordnung
Für Neuer war das Vorbereitungsspiel gegen die Ukraine in Nürnberg die erste Partie im DFB-Trikot seit dem WM-Aus in Katar. Für die EM hat ihn Bundestrainer Julian Nagelsmann zur klaren Nummer eins erkoren – weswegen Marc-André ter Stegen wieder zur Nummer zwei degradiert wurde. Das hatte sich der Rückhalt des FC Barcelona anders vorgestellt, daraus macht er keinen Hehl.
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Rückblick. Eine entscheidende Maßnahme für die Harmonie und Hackordnung im Team waren die Rollengespräche, die Julian Nagelsmann im Vorfeld mit jedem einzelnen Star führte. Rund 20 Minuten saß im März jeder Spieler mit dem Bundestrainer zusammen, so erzählte es Nagelsmann. Er skizzierte dem Spieler die ihm zugedachte Rolle bei der EM und im Team. Das schaffe „Verbindlichkeit, eine Verlässlichkeit“ hatte Nagelsmann gesagt. Die Spieler hätten ihm versichern müssen, dass sich in diese Rolle fügen würden. Doch vor allem auf einer Position herrscht besondere Brisanz: im Tor.
Lange schien ter Stegen gesetzt
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Klar festgelegt ist: Neuer ist bei der EM die Nummer eins, der 32 Jahre alte ter Stegen trotz jahrelang herausragenden Leistungen beim FC Barcelona nur die zwei. Seine Reaktion auf diese Rollenverteilung nun: Akzeptanz ja, Verständnis nein.
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Im Gespräch mit „Bild“ sagte er: „Es ist nicht leicht, in eine Situation zu kommen, die du dir anders erhofft hast. Die Entscheidung des Trainers gilt es zu akzeptieren und respektieren, auch wenn ich nicht einer Meinung mit ihm bin. Ich versuche auf dem besten Niveau zu sein, um meine Leistung zu zeigen.“
Ter Stegen war während Neuers langer Verletzungsphase im DFB-Tor gesetzt – schien lange auch die Nummer eins bei der EM zu werden. 2023 fiel Neuer wegen eines Unterschenkelbruchs, den er sich bei einem Ski-Unfall zugezogen hatte, fast ein Jahr lang aus. Kurz nachdem ter Stegen die Länderspiele im November gegen die Türkei (2:3) und Österreich (0:2) wegen einer Rückenverletzung absagen musste, läutete Nagelsmann die Wende im Tor ein. Im März dann die klar vorgegebene Hierarchie in den Einzelgesprächen.
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Die härteste Karriere-Entscheidung für ter Stegen? „Sicherlich“, sagt er klipp und klar: „Es ist ein wichtiges Event. Ich hätte gern gespielt, daraus mache ich keinen Hehl. Ich glaube, dass ich viele Argumente für mich hatte. Deswegen war es für den Trainer keine leichte Entscheidung. Aber es gilt sie für mich zu akzeptieren.“
40 Länderspiele absolvierte ter Stegen bislang für Deutschland, keines davon bei einem großen Turnier. Nach der EM könnte nun die Weltmeisterschaft 2026 in den USA, Kanada und Mexiko für ihn in den Fokus rücken. Der Torwart: „Das ist noch ein bisschen weit weg. Du weißt im Fußball nicht, was kommt. Ich will in den nächsten zwei Jahren in allen Situationen meine beste Leistung zeigen. Ich werde keinen Zweifel aufkommen lassen, dass ich in Topform bin.“